Tiere verlieren die Scheu
Jäger machen Tiere scheu. Deshalb können Besucher von Nationalparks, in denen die Jagd seit vielen Jahren verboten ist, wildlebende Tiere aus der Nähe beobachten, die sonst in unseren Wäldern und Fluren selten zu sehen sind und auf große Entfernung flüchten. Und: Die Natur kann sich wieder selbst regulieren.
Spätestens seit der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 ist der weltweite Artenschwund bekannt: Etwa 165 Pflanzen- und Tierarten sterben pro Tag unwiederbringlich aus! Rechnet man diese Zahl hoch, so sterben jedes Jahr 60.000 Arten aus. In 25 Jahren sind das 1,5 Millionen Arten!
Immer mehr Flächen in Deutschland sind unter Asphalt und Beton versiegelt. Auf nur 1,9% der Fläche wurden Naturschutzgebiete ausgewiesen. Nach heutigen ökologischen Erkenntnissen ist hiermit kein auch nur annährend ausreichender Ökosystem- und Artenschutz zu gewährleisten.
Die meisten Naturschutzgebiete sind weniger als 50 ha groß. Die Nationalparks umfassen 0,5% der Fläche der Bundesrepublik. Die 13 deutschen Nationalparks wollen das, was an ursprünglicher Natur noch vorhanden ist, vor der Nutzung durch den Menschen bewahren. Daher haben sich die Nationalparks die Aufgabe gestellt, die Eigendynamik und -entwicklung der Natur zu schützen und der Bevölkerung zugänglich zu machen. Wildnis soll entstehen, in der sich Tiere und Pflanzen frei und ohne menschliche Eingriffe entwickeln können.
Die Jagd ist die größte vorstellbare Störung für wildlebende Tiere. Wildtiere und wildlebende Tiere können sich so ziemlich an alles gewöhnen, was Menschen in Wäldern und Fluren treiben. Sie gewöhnen sich nachweislich auch an Erholungssuchende, das zeigen die Erfahrungen in Nationalparks (»Nationalpark-Effekt«).
Allein an Verletzung und Tod kann sich kein lernfähiger Organismus gewöhnen - weder Mensch noch Tier.
Dennoch wird auch in deutschen Nationalparks gejagt, so genannte Jagdruhezonen gibt es nur in Kernbereichen. Und das, obwohl in Gebieten ohne Jagd die Erfahrungen überall die gleichen sind: Die Tiere verlieren die Scheu, Natur und Tierpopulationen regulieren sich selbst.
Mit einer Gesamtfläche von ca. 16.000 Hektar ist der Hainich das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet Deutschlands. Er liegt zentral in Deutschlands Mitte, in Thüringen. Im Nationalpark Hainich soll sich der »Urwald in der Mitte Deutschlands«
ungestört entwickeln können. Seine Fläche beträgt 7.600 Hektar, davon sind ca. 600 Hektar jagdfreie Zonen. Weiter gibt es jagdberuhigte Bereiche in einem Umfang von 900 ha. Weitere jagdfreie und jagdberuhigte Bereiche werden derzeit diskutiert.
Im Hainich sind außer den für mitteleuropäische Laubmischwälder typischen Tierarten - wie Reh, Dachs und Wildschwein, Vögel wie Buchfink, Waldlaubsänger und Buntspecht, Lurche wie Grasfrosch und Erdkröte - aufgrund der Großflächigkeit der Wälder, des hohen Struktur-reichtums und des hohen Totholzanteils auch zahlreiche Besonderheiten und sehr spezialisierte Arten zu finden. Die scheue Wildkatze zählt zu den größten Besonderheiten des Hainich.
In den jagdfreien und jagdberuhigten Bereichen verlieren die Tiere zunehmend ihre Scheu vor dem Menschen. Der Nationalpark Hainich geht davon aus, dass dies zu geringeren Fluchtdistanzen und zur Veränderung der Tagesrhythmik führen wird, so dass die Chancen für den Besucher steigen, auch am Tage größere Tiere wie Rotwild, Damwild, Reh und Wildschwein beobachten zu können.
Informationen:
Nationalpark Hainich
Bei der Marktkirche 9,
D-99947 Bad Langensalza,
Tel. 03603/390720
Der Nationalpark Bayerischer Wald wurde 1970 als erster Nationalpark in Deutschland eröffnet. Damit stellte Bayern eine einmalige Wald- und Mittelgebirgslandschaft an der Landesgrenze zur Tschechischen Republik unter Schutz. Im Jahr 1997 erweitert, umfasst der Nationalpark nun eine Fläche von über 242 km2.
Auf nahezu ganzer Fläche des Nationalparks erstrecken sich ausgedehnte Wälder, die heute einzigartig in weiten Teilen einer vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Entwicklung überlassen bleiben. Das Wirken natürlicher Umweltkräfte und eine ungestörte Dynamik der Lebensgemeinschaften wird gewährleistet. Hier leben Hirsche, Rehe, Wildschweine, Füchse und Auerwild.
Der seit vielen Jahren wieder einheimische Luchs ist zum Symbol des Nationalparks Bayerischer Wald geworden.
Die jagdfreie Zone im Nationalpark Bayerischer Wald umfasst 150 km2. Der größte Teil der jagdlichen Ruhezone ist eine zusammenhängende Fläche im Nordosten des Nationalparks bis zur Grenze der Tschechischen Republik. Es handelt sich dabei um ein geschlossenes Waldgebiet in Lagen zwischen 900 m - 1450 m Höhe.
Desweiteren sind im Bereich der Wintergatter in den unteren Hanglagen des Nationalparks Wildschutzgebiete ausgewiesen.
In den Gebieten, in denen nicht gejagt wird, ist das Wild vertrauter und weniger scheu als früher. Die Tiere haben ihre Tagaktivitäten erhöht, sowohl bei der Nahrungsaufnahme, als auch beim Verhalten während der Paarungszeit.
Die Nationalparksleitung vermutet, dass durch weniger Störungen der Tiere und die verlängerte Dauer der Nahrungsaufnahme Verbiss- und Schälschäden gemindert werden. Eine natürliche Luchspopulation von 6 - 10 Tieren wirke durch ihren Nahrungsbedarf einem zu starken Anwachsen des Rehwildbestandes entgegen.
Informationen:
Nationalparkverwaltung
Bayerischer Wald
Freyunger Straße 2
D-94481 Grafenau
Telefon 08552/96 000
Telefax 08552 /96 00 100
Der 32.000 Hektar umfassende Müritz-Nationalpark ist Bestandteil der Mecklenburgischen Seenplatte, die in der Eiszeit vor 12.000 Jahren entstanden ist. 25.000 Hektar sind mit Wald bedeckt.
An Schalenwildarten sind vertreten: Rotwild, Damwild, Rehwild, Muffelwild und Schwarzwild.
Seit 1998 gibt es vier jagdfreie Zonen (Jagdruhezonen) mit einer Größe von insgesamt 2500 Hektar. Diese Jagdruhezonen werden von den Tieren als Zufluchtsstätten bei Störungen aufgesucht. Die Tagaktivität des Wildes und damit die Möglichkeit der Beobachtung steigen.
Informationen:
Nationalparkamt Müritz
Schlossplatz 3
D-17237 Hohenzieritz
Tel. 039824/ 25 20
Fax: 039824/ 25 250
www.nationalpark-mueritz.de
Die gesamten Flächen unterhalb des MTHW (Mittleres Tide-Hochwasser), also die gesamten Watt- und Wasserflächen im Nationalpark (und darüber hinaus im gesamten niedersächsischen Küstenmeer) werden nicht bejagt. Hier sind lediglich Jäger als Wattenaufseher eingesetzt, die Jagdschutzaufgaben wahrnehmen: u.a. Tötung kranker und verletzter Tiere, Schutz vor Wilderern. Gleiche Regelungen gelten für die unbewohnten Inseln Mellum, Memmert und Minsener Oog.
Jagdruhezonen, in denen ebenfalls die Jagd auf den Jagdschutz beschränkt ist finden sich weiterhin an den Ostenden der Ostfriesischen Inseln (über Pachtverträge geregelt) und in einigen Revieren am Festland.
Jagdverbot gilt für Seehund und Schweinswal. Der Seehund wird schon seit 1973 nicht mehr bejagt. Es konnte eine deutliche Verringerung der Fluchtdistanzen festgestellt werden, d.h., die Tiere zeigen weniger Scheu. Jäger und Fischer plädieren für eine Bejagung der Seehunde. Wissenschaftlich betrachtet sind die wachsenden Seehundbestände jedoch nicht verantwortlich für den Rückgang an Fischbeständen, sondern – ganz im Gegenteil – regulieren sie den Fischbestand positiv, indem sie nur ausgewachsene Fische fressen. Weniger Seehunde hieße also mehr ausgewachsene Fische, und die wiederum würden mehr vom eigenen Nachwuchs auffressen, der dadurch dezimiert würde.
Im Nationalpark Wattenmeer wurden Rehwild, Damwild (nur auf Norderney) auf den Inseln künstlich ausgewildert. Von Natur aus gehört es also nicht in diesen Lebensraum. Rehwild und Damwild darf, wie ebenfalls künstlich ausgewilderte Hasen, Kaninchen und Fasane zu bestimmten Zeiten bejagt werden.
Untersuchungen bei den Wasser- und Wattvögeln zeigen, dass diese Gebiete mit intensiver jagdlicher Nutzung meiden.
Am 29.06.02 meldete die taz:
„Die Elbjäger dürfen im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer nicht mehr jagen. Das hat in erster Instanz das Verwaltungsgericht Schleswig (Az.: 7 A 151/01) entschieden. Der klagende Verein "Elbjäger e.V." hat seit 30 Jahren die Uferbereiche der Elbe von Hamburg bis zur Nordsee von der Bundesrepublik zur Jagd vor allem auf Wasservögel gepachtet; im Ende 1999 in Kraft getretenen schleswig-holsteinischen Nationalparkgesetz wurde die Jagd im Wattenmeer und damit in einem Teilbereich der Pachtflächen verboten. Eine Ausnahmegenehmigung könne nicht erteilt werden, da die Jagdausübung dort "zu einer nachhaltigen Störung des Schutzgebietes" führe und "damit unzulässig" sei, entschieden die Richter.“
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