Die Natur reguliert sich selbst


Von Dr. Hans U. Hertel,
The World Foundation for Natural Science, Bern, Schweiz

Die Natur reguliert die Bestände selbst - um dies verstehen zu können, müssen wir uns von den üblichen menschlichen Denkmustern verabschieden. Wir müssen bereit sein zu erkennen, dass die Natur ein eigenständiges, intelligentes Wesen ist.

Wir Menschen sind irgendwann dem Irrglauben verfallen, die Natur könne ohne uns nicht leben und leiten daraus das Recht ab, wir könnten und müssten die Natur steuern. Gerade das Gegenteil jedoch ist wahr: Die Natur kann ohne den Menschen sehr gut leben. So, wie der überwiegende Teil der Menschen ihr heute begegnet, würde sie sogar viel besser leben, wenn es den Menschen gar nicht gäbe. Wie weit müssen wir uns von jener Achtung und Liebe zur Natur entfernt haben, die uns die Indianer und andere Naturvölker noch immer vorleben!

Je weniger der Mensch eingreift, desto mehr stellt sich das Gleichgewicht wieder ein

Eine »Regulierung« der Bestände durch die Menschen ist unnötig, denn die Natur reguliert sich selbst. Je weniger wir Menschen in dieses Geschehen eingreifen, desto harmonischer passt sich die Natur dem Menschen an.
Das Töten Tausender wunderschöner, liebevoller und vertrauensvoller Tiere bewirkt gerade das Gegenteil von der Regulierung, die angeblich bezweckt werden soll. Der natürliche Selbsterhaltungstrieb führt dazu, dass eine ständig dezimierte, gefährdete Population sich stärker vermehrt als eine ungefährdete. Das ist gesetzmäßig so, auch bei den Menschen. Ungefährdete Tiere in der freien Wildbahn passen sich hingegen den bestehenden natürlichen Umweltbedingungen an, d.h. Größe und Beschaffenheit des Lebensraumes, Futterbedingungen und das Klima sind maßgebliche Faktoren, welche die Bestandsgrößen der freilebenden Tiere mitbestimmen. In der freien, unbelasteten Natur gibt es deshalb keine überhöhten Bestände, es sei denn vorübergehend, bis die natürliche Regulation wieder greift. Die Natur braucht eben auch ihren Freiraum. Der Mensch engt diesen aber rücksichtslos und ohne Verstehen immer mehr ein. In einer solchen Zwangsjacke geht die Natur zugrunde und damit auch der Mensch.

Warum töten die Jäger, wenn es nicht zum Zweck der Regulierung ist?

Ein jeder rechtschaffene, normal veranlagte Mensch, der unverhofft einem Tier, ganz besonders einem Hirsch oder Reh, in der freien Natur gegenübersteht, ist von dessen Schönheit und Anmut fasziniert und tief berührt. Es steht so unschuldig, rein und Respekt erheischend vor ihm, dass es im Herzen eines jeden normalen Menschen nur Freude, Bewunderung und Liebe auslöst.
Freilich geschieht dies auch im Herzen eines Jägers. Das sind Momente, in denen Natur und Mensch, zwei Lebewesen, einander in wahrhaft göttlicher Einheit nahe sind.

Welcher Mensch kann einen solch erhabenen Augenblick, den man am liebsten in alle Ewigkeit erhalten möchte, zerstören, indem er seine Gefühle so weit unterdrückt, dass er sogar bereit ist zu töten?

Jäger: Tötungs- und Blutrausch bei der Jagd

Jäger erzählen, dass selbst bei abgebrühten Jägern eine Zeit der gedanklichen Vorbereitung auf die Jagd nötig ist. Es ist eine Entwicklung des Jagdtriebs, der offenbar den Jäger vor einer Jagdsaison befällt und ihn auf das Töten vorbereitet - verbunden mit Nervosität und Unruhe. Es ist, als ob der Jäger dazu in ein anderes Ich schlüpfen würde. Beim einen trifft das mehr zu, beim anderen weniger. Doch bei Beginn der Jagd entsteht ein Höhepunkt, der den ersten Schuss auslöst. Danach wird das Töten immer leichter und kann, unter Ausschaltung der Sinne, mitunter zu einem regelrechten sinnlosen Tötungs- oder Blutrausch werden.

Ähnliches wissen wir von Soldaten, die im Krieg getötet haben, sowie von Metzgern, die in Großschlächtereien am Laufband töten. Die Gefühle, die aus dem Herzen kommen, werden völlig ausgeschaltet, anders ist dies gar nicht möglich.
Die Tiere wissen bei einer Jagd sehr wohl, was vor sich geht. Sie ziehen sich nach Möglichkeit in sichere Schutz- und Schongebiete zurück.
Uns liegen Berichte von Einwohnern aus dem Voralpen- und Berggebiet vor, denen zufolge Rehe während der Jagdzeit in die Dörfer kamen und sich den Tag über in den Gärten der Menschen aufhielten, wo sie sich sicher fühlten. Die Wildtiere suchten also bei Menschen Schutz vor Jägern, die offenbar ihre Feinde sind. Die Tiere besitzen demnach ein hochentwickeltes Unterscheidungsvermögen, das ihnen ermöglicht, selbst während der Jagdzeit Freund und Feind auseinander zu halten. Die Flucht vor dem Menschen ist keine natürliche Reaktion der Tiere (Wildbiologe Dr. Buchli).
Die Tiere sind im Grunde des Menschen Freund, nur umgekehrt sieht es doch zu oft anders aus. Schlechte Erfahrungen mit den Menschen sowie Störungen, bei denen sich die Tiere gefährdet fühlen, veranlassen sie, sich vor den Menschen zurückzuziehen oder um ihr Leben zu kämpfen. Es ist bedauerlich, dass der Mensch nicht die Intelligenz aufbringt, dieses Verhalten zu begreifen.

Der Mensch läuft noch immer mit der Keule in der Hand herum. Mit seiner Intelligenz ist es noch nicht weit her, auch wenn er seine Primitivität mit Arroganz und Einbildung zu überdecken versucht. Intelligenz ist eben mehr eine Herzensangelegenheit als eine Sache des Verstandes und der Triebe. Der Psychologe Kellert kommt dabei auf einen wunden Punkt zu sprechen, wenn er sagt:
»Jäger benötigen offenbar die Jagd, um Gefühle von Unsicherheit, Frustration, Minderwertigkeit und mangelndem Selbstvertrauen über das Beherrschen und Töten von Tieren abzureagieren.«

Es gibt kein stichhaltiges Motiv für die Jagd!

- Es besteht für den Menschen kein lebensnotwendiges Bedürfnis für die Jagd.

- Die Ursache für Wildverbiss bzw. Wildschäden ist Angst, verursacht durch die Jagd und die ständig zunehmenden Störungen durch menschliche Freizeit- und Tourismusaktivitäten, und nicht die überhöhten Bestände. Der Wildverbiss erreicht in einem naturbelassenen, ungestörten Umfeld nie ein Ausmaß, das die naturgemäße Entwicklung von Wald und Vegetation über einen längeren Zeitraum beeinträchtigen könnte. Die Artenvielfalt und die Gesundheit der Wälder nimmt sogar noch zu.

- Die Wildstatistiken, die den Nachweis für überhöhte Bestände und die Notwendigkeit der »Regulierung« belegen sollen, sind mehr als nur verfälscht. Sie sind ein Betrug. Die Zahlen sind absichtlich nach oben verändert, zum Zweck höherer Abschussfreigaben und höherer Einnahmen in die Kasse des Kantons.

- Unnatürliche, überhöhte Wildbestände, im besonderen der Geiß- und Kitzbestand, sind eine Folge der sogenannten »Regulierung« durch die Jagd.

- Die Natur ist ein sich selbst regulierendes System, das für sein Funktionieren menschlicher Eingriffe nicht bedarf.

(Quelle: Auszüge aus »Über Sinn und Unsinn des Jagens« in: The Journal of Natural Science 5/2000)

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